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Die Geschichte von Blau

Die Geschichte von Blau!

 

 

Vor Millionen Jahren, als Gott den Menschen geschaffen hatte, nahm er ihn eines Tages an der Hand und führte ihn ins Erdenparadies. Er zeigte ihm das Meer, die Berge, die Flüsse, die Felder, die Wälder, die Wüste und die Tiere und er sagte:

„Das alles gehört Dir. Du darfst es nützen und nehmen, es sehen und hin gehen wohin Du willst. Das einzige, was Du nicht darfst, ist da oben, der Himmel.“ Und der Gott zeigte zu der strahlend blauen Fläche über ihren Köpfen. „Das gehört mir, das darfst Du nicht haben und darfst das auch nicht sehen! Beuge Deinen Kopf und schaue nie mehr in mein Reich!“

„Das Blaue da oben ist Dein Reich?“ Fragte verwundert der Mensch. „Ja, und ich will es nur für mich haben.“ Sagte der Gott. „Hebe daher nie Dein Blick von Deinem Paradies, um in den meinen zu sehen, sonst bestrafe ich Dich.“ „Und wie?“ Wollte der Mensch wissen. „Du wirst es schon erfahren, aber ich rate es Dir nicht. Strafe ist etwas, was einem nicht gefällt!“

Das sagte der Gott und verschwand in seinem Paradies.

Der Mensch war in seinem Paradies sehr glücklich und schaute sich alles genau an. „Der Gott ist so gut, er hat mir so vieles gegeben!“ dachte dankbar der Mensch.

Eines Tages spielte er mit einem bunten Vogel. Er fütterte ihn mit Körner und der Vogel sang wunderschön. Plötzlich aber öffnete er die Flügel und flog von ihm weg. Der Mensch schaute ihm nach, aber als sich der Vogel gegen dem blauen Himmel erhob, besann sich der Mensch des Verbotes Gottes und senkte sein Blick zu Erde. Den Vogel verlor er aus den Augen.

Mit gesenkten Augen wanderte er weiter und kam in den Wald.

Die hohen schön grünen Bäume mit wohlriechenden Blüten oder Früchten darauf begeisterten den Menschen. Er hörte das Summen der Insekten in den Blüten und das zwitschern der Vögel zwischen den Blättern. Gesehen hatte er sie nicht, dafür aber begegnete er vielen Tieren. Mit manchen von diesen Tieren schloss er Freundschaft und sie begleiteten ihn auf seiner Wanderung. Unter seinen Freunden war auch ein schönes braunes Eichhörnchen, welches der Mensch besonderes lieb gewonnen hatte. Er beobachtete gerne, wie geschickt das Tier die Nüsse knackte und wie lustig und mit Schwung es die leeren Schalen hinter sich warf. Seine glänzenden klugen Äuglein beobachteten den Menschen aufmerksam.

Eines Tages wollte er mit dem Eichhörnchen ein Wettkampf machen: „Wer wird zuerst ankommen bei der grossen Eiche auf der grünen Wiese. Alle andere Tiere, ihre Freunde wurden zu dem grossen Wettkampf eingeladen. So rannten die beiden aus vollen Kräften. Alle Tiere eilten ihnen nach, sie wollten ja erfahren, wer von ihnen Beiden zuerst ankommt. Keiner von beiden liess sich von irgendetwas aufhalten, weder von Steinen, noch Ästen, welche ihnen Krätzer und Schläge versetzten.  Von nichts und niemanden liessen sie sich aufhalten! Sie rannten und rannten, der Wind sauste ihnen um die Ohren. Noch ein steiler Hang, und schon war die Wiese zu sehen. Das Eichhörnchen war vorne und meinte sich schon als Gewinner. Der Mensch strengte sich an, noch ein bisschen, noch ein bisschen… Plötzlich stolperte er, fiel und geriet ins rollen den steilen Hang herunter. Er wurde immer schneller, wie eine Lawine polterte er herunter. Erst bei dem Stamm der grossen Eiche hielt er mit lautem Aufschlag an. In seinem Kopf klingelten tausend Glöckchen. Die Tiere jubelten:

„Du hast gewonnen! Du hast gewonnen!“ Erst jetzt kam schnaubend das Eichhörnchen an. „Das gilt nicht!“ Schrie es: „Du hast gemogelt!“ „Wieso?!“ Wunderte sich der Mensch. „Ich bin umgefallen, weil ich stolperte, trotz dem kam ich an. Schlussendlich haben wir nicht festgelegt, auf welcher Weise wir ankommen?!“ Das Eichhörnchen gab sich aber noch nicht geschlagen. „Gut, das mag sein, aber in dem Fall, haben wir auch nicht festgelegt, wo bei der Grossen Eiche. Das könnte auch sein, auf der Spitze der Grossen Eiche!“ Und so hüpfte das Eichhörnchen in die breiten Äste des Baumes und winkte den Menschen hinauf: „Komm, komm, der Wettkampf ist noch nicht zu Ende!“ Der Mensch liess es sich nicht zwei mall zurufen. Er sprang in die Äste und kletterte schnell hinter dem wendigen Tierchen. Es machte grossen Spass sich fortzubewegen von Ast zu Ast der Baumspitze entgegen. Als die Äste sich in der Baumspitze lichteten, versuchte der Mensch zu sehen, wo das Eichhörnchen sich befand. „Da bin ich!“ Rief es. Der Mensch schaute in die Richtung der Stimme und hob seine Augen empor in die Baumspitze welche direkt in den Himmel ragte. In dem Augenblick realisierte er, dass es verboten war. Er senkte seinen Blick von der blauen Fläche die sich über der Baumspitze aufzeichnete. Da er aber in dem Moment im Begriff war nach einem Ast zu schnappen, der über seinem Kopf war und wollte sich auf ihn hochzuziehen, verfehlte er ihn, da er nicht nach oben schauen konnte. Er verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Zum Glück verfing sich sein Körper in den unteren Ästen der grossen Eiche und so schlug er unten auf der Erde nicht so hart auf.

Das Eichhörnchen jubelte: „Ich habe gewonnen! Ich habe gewonnen!“

Der Mensch lief mit gesenktem Kopf weg. Das Rufen seiner Freunde hörte er nicht, wollte nicht hören. Er war Traurig.

Er lief und lief, bis er zu einem See gekommen war. Der See war so schön, dass er seine Enttäuschung vergass. Das Wasser glänzte vor seinen Füssen und die kleinen weichen Wellen luden ihn zu einem erfrischenden Bad ein. Der Mensch liess sich das nicht zwei mall sagen und schon schaukelte sein geschundener Körper in den weichen Wellen. Das Wasser war wunderbar und glitzerte in der Sonne als ob es mit Edelsteine besetzt wäre. Er schwamm mit grossem Vergnügen und vergass seine Enttäuschung vollends. Plötzlich hörte er hinter sich: „Ist es bei uns nicht wunderschön? Und dass nicht nur auf dem Wasser, sondern auch unten im Wasser!“ „Wer spricht den da?“ „Ich!“ „Wer Ich?“ „Ich, der Fisch! Schau nur ins Wasser, da, tief unten ist unser Reich! Leider kannst Du nicht dorthin mit mir kommen, Du würdest dort nicht überleben. Aber, anschauen kannst Du es Dir wenigstens!“ Der Mensch schaute dem in der schwarzen Tiefe des Sees verschwindenden Fisch nach. Der Fisch war tatsächlich verschwunden. Der Mensch versuchte die Schwärze des tiefen Wassers mit seinem Blick durchzudringen. Wie er es so versuchte ins Wasser zu sehen, wurde ihm plötzlich bewusst, dass das, was er im Wasser sah, war der Himmel und der war nicht schwarz, sondern wunderschön Blau. Und so, da, wo er gerade bereit war einzutauchen um den Fisch nach schwimmen, wandte er den Kopf ab, schwamm ans Ufer und ging traurig weg. Schon wieder hatte er einen Freund verloren. Er fühlte sich eingeengt in allem was er tat durch dieses eine Verbot Gottes. Er wollte nichts mehr bewundern, niemanden mehr treffen. Er lief und lief, überquerte Berge, sah nicht einmall ihre Schönheit auch ihre majestätische Grösse nicht. Er lief durch Täler, durchquerte Flüsse, er nahm sie fast nicht wahr. Zum Schluss kam er in die Wüste, auch davon merkte er nichts. Er lief und lief, die heisse Sonne brannte auf seiner Haut, er hatte Durst, war müde. Es kam der Abend und wurde Dunkel und Kalt.

Der Mensch setzte sich in den Sand, grub sich mit den Händen eine Grube, legte sich hinein und schlief ein. Er hatte einen Traum. Er träumte, dass er sich in einem Zelt befand. Dieses Zelt war aus einem schönen blauen Stoff geschaffen. Er selbst sass auf vielen weichen Kissen und um ihn herum sassen alle mögliche Tiere, darunter auch seine Freunde. Jedes von ihnen hatte ein Stück von diesem wunderbaren blauen Stoff umgebunden. Der Mensch selbst hatte auch ein Stück von diesem „Himmelblauen Stoff“ um seine Hüften gebunden. Es war wunderbar weich und erfüllte ihn mit Freude. Die Tiere: Der Papagei, das Eichhörnchen und der Fisch (der übrigens glücklich schwamm in einem Kristallnem  Aquarium) erzählten dem Menschen, dass der blaue Stoff ein Teil vom „Himmelszelt“ ist und dass das ein Zeichen ist, dass sie alle ein Teil vom „Himmelsreich“ sind. „Das ist nicht möglich!“ Sagte der Mensch. „Ich darf das nicht einmall anschauen, sonst werde ich bestraft. Wie kann ich dann ein Teil davon sein?“ Die Tiere wussten darauf keine Antwort. Sie rieten ihm daher, nach der Antwort zu suchen.  Der Mensch wurde traurig. Er wollte nicht weg von dem schönen Zelt und von der angenehmen Gesellschaft seiner Freunde. Wie er sich da überlegte einen Grund zu finden um bei ihnen zu bleiben, öffnete sich die Decke des Zeltes und auch die Wände und die Tiere verschwanden. Der Mensch öffnete die Augen. Die Sonne stand hoch am Himmel und als der Mensch aufsah, senkte er sein Blick erschrocken: „Ich habe das alles nur geträumt! Ich muss irgendwo Wasser finden!“ Dachte er gequält. Mühsam erhob er sich von seinem Schlaflager und ging weiter ohne zu wissen wohin.

„Sand, Sand, nichts als Sand. Ist das auch Teil von meinem Reich? Dies ist aber kein besonderer Teil davon!“ Dachte er mürrisch. „Das ist ungerecht!“ quietschte es neben ihm. „Was? Wer kann denn hier meine Gedanken lesen?“ „Ist auch nicht so schwer! Du denkst ja fast schon laut!“ quiekte es zurück. „Tue ich nicht!“ Brummte der Mensch beleidigt. „Tuest Du doch, sonst hätte ich Dich nicht verstanden, nicht wahr?“ „O.K., dann eben ja. Aber was tuest Du hier?“ „Ich warte auf Dich.“ „Wartest auf mich? Wieso?“ „Na um Dir Deine Frage zu beantworten.“ „Meine Frage? Woher weißt Du, dass ich eine Frage habe?“ „Na, ja, ich weiss es eben.“ „Nein, nein! Sag doch die Wahrheit!“ gab der Mensch nicht nach, „sag’s schon! Los! Also?!“

„Hmm, na, ja, ich habe Gestern eben geträumt, dass ich mein Stollen genau unter einem Zelt gegraben habe, dem Zelt vom „Himmelblauem Stoff“ und dann habe ich noch geträumt, dass Du dort auch warst und noch ein paar Tiere und ihr habt diskutiert und dann wolltet ihr eine Frage gelöst haben und ich weiss die Antwort.“ „Du weiss die Antwort?“ Fragte erstaunt der Mensch. „Na dann sag’s doch schnell!“ „Nicht so schnell! Zuerst müssen wir was klären und zwar: was bekomme ich für die Antwort? Eine Belohnung, ein Danke und das wäre? Nein, ich will etwas ganz bestimmtes. Ich will auch so ein Stück von diesem Blauen Stoff, dass ihr alle in dem Traum an hattet.“ „Aber, ich habe ihn doch gar nicht und die anderen auch nicht! Das war doch alles ein Traum, Du sagtest es ja selbst! Und wer bist Du überhaupt! Zeige Dich! Na, los!“ Vor dem Menschen wölbte sich plötzlich die Erde und unter seinen Füssen bildete sich ein kleines Häufchen, dann kam ein schwarzes Köpfchen heraus, dass kugelte mit seinen glänzenden schwarzen Äuglein. „Ein Maulwurf!“ Staunte der Mensch. „Wie bist Du hierher gekommen?“  „Na, auch ich habe so meine Pflichten.“ „Sicher, wie zum Beispiel, musstest Du die Wüste beschützen, nicht wahr? Damit niemand etwas böses über sie sagt?“    Brummte der Mensch als er sich erinnerte an den Anfang der neuen Bekanntschaft.  „Wobei gerade die Wüste, wird Dir helfen Dein Problem zu lösen.“ Entgegnete geduldig der Maulwurf. „Was, die Wüste? Wie?“ wunderte sich der Mensch. Der Maulwurf schwieg. „Na, sag’s schon!“ Drängte der Mensch. „Nicht so hastig! Was ist mit der Belohnung?“ Beharrte der Maulwurf auf seinem Anspruch. „Meinetwegen, wenn ich es schaffe, kriegst Du Deine Belohnung. Aber jetzt sag endlich, was muss ich machen?  Aber nicht so, dass ich nichts erfahre, meine Straffe dann habe und Du weißt dann von nichts!“ Mach Dir keine Sorge! Die Lösung ist sehr einfach. Setz Dich, ich erkläre es Dir.“ „Wenn es so einfach ist, warum holst Du Dir „Das Blaue vom Himmel“ nicht selbst?“ Wurde der Mensch misstrauisch. „Weil, wenn ich es mir selber hole, wo ich es jede Zeit haben kann, hat es für mich kein Wert. Nur „Das Blaue vom Himmel“ nach dem Du Dich so sehnst, und wo nur mit so vielen Opfern zu erreichen ist, das ist das wertvolle und das will ich haben!“ „Aha, es muss zuerst Einer dafür der Kopf in die Schlinge stecken, damit auch Du Dich danach sehnen kannst, pervers ist das!“ Schimpfte der Mensch. „Und da frage ich mich, ob ich das überhaupt so sehr will! Im Moment sehne ich mich eigentlich viel mehr nach einem Schluck Wasser.“  „Also gut, komm mit!“ Sagte der Maulwurf ungeduldig. Er führte den Menschen über ein paar Dünnen und in einer Vertiefung zwischen ihnen fing er an zu graben. Er grub und grub, bis er ein recht grosses Loch gegraben hatte. Das Loch fing an sich allmählich mit Wasser zu füllen. „Warte noch!“ Sagte der Maulwurf zu dem Menschen, der sich darauf stürzen wollte. „Lass den Sand sich zu setzen.“ Der Mensch hatte so grossen Durst, dass er nicht warten wollte. Er beugte sich über die Wasseroberfläche und wollte trinken. Plötzlich zuckte er rückartig zurück. „Na, trink doch!“ Drängte der Maulwurf „was ist? Schmeckt Dir das nicht?! Was Besseres haben wir hier in der Wüste nicht!“ „Das ist gemein! Du hast das gewusst!“ „Was  habe ich gewusst?“ Fragte scheinheilig der Maulwurf. „Das ich es nicht kann.“ „Wieso, was kannst Du nicht?“ „Na, schau doch selbst! Der Himmel spiegelt sich darauf und ich darf es nicht  anlangen!“ „Selber schuld.“ Sagte der Maulwurf hart. „Du wusstest ja nicht, ob Du es willst oder nicht, oder? Du wolltest Wasser haben, ich habe es Dir gefunden.“  „Gut, gut, Du hast ja recht, dann sag endlich, wie ich es machen soll, sonst sterbe ich von Durst und Du kriegst nichts.“

„Also, pass jetzt auf! Heute Abend, wenn es dunkel wird, gehst Du ans Ende der Wüste, ich zeige Dir wohin. Dort, ganz am Ende, sind die Erde und der Himmel eins. Es gibt dort keine Grenze, die Dein und Gottes Reich trennt. Du gehst einfach und bist dort. Dort holst Du, wonach Du Dich so sehnst und bevor es Tag wird, kommst Du zurück. Pass nur auf, am Tage sieht man die Grenze schon.“ „Dadurch ist aber nicht meine Frage beantwortet? Ja, ich habe vielleicht dann „Das Blaue vom Himmel“ aber inwiefern ich auch ein Teil von dem Himmelsreich werde, das weiss ich dann immer noch nicht.“ „Stimmt nicht, Du weisst es dann, Du selbst besitzt dann ein Teil davon, Du holst diesen Stoff für Dich und für mich. Dadurch bist DU ein Teil davon, und ich übrigens auch Hi,Hi,Hi.“ Der Mensch überlegte. „Ja, das könnte klappen.“ Er sammelte seine Kräfte, stand auf und sagte. „Dann zeig schon, in welche Richtung soll ich gehen?“ Der Maulwurf drehte sich zu der Seite der Wüste, die ganz eben war. Unendliche Weite von einem Meer von Sand lag vor ihnen. „Das ist aber unendlich weit! Ich gehe dort ein ohne Wasser!“ widersprach der Mensch. „Das kannst Du gleich vergessen, ich bin jetzt schon halbtot von Durst!“ „Wenn Du jetzt gleich losgehst, dann stirbst Du wirklich. Du musst erst losgehen, wenn die Sonne zum untergehen neigt. Dann wird es kühler und der Horizont kommt näher und sobald es dunkel wird, schlüpfst Du hinein. Das ist das Geheimnis.“ Antwortete das kluge Tier. „Das will ich sehen!“ Maulte der Mensch, aber der Maulwurf merkte, dass er sich bereits überzeugen liess.

Während sie gewartet haben, bis der heisse Tag vorübergeht, grub der Maulwurf ein tiefes Loch im Sand, in dem er kurz verschwand und als er wieder auftauchte, hielt er in den Pfoten eine Nussschale voll Wasser.  Er bot diese dem durstenden Mensch an. „Trink es langsam, mehr habe ich nicht, das muss Dir reichen auf den Weg.“

Der Mensch nahm es dankbar entgegen. Nach dem er seinen Durst gestillt hatte, streckte er sich hin im heissen Sand mit dem Vorhaben, sich ein bisschen auszuruhen vor dem grossen Unternehmen. Während er so da lag, überlegte er sich, was ihn eigentlich dazu bewogen hatte, den Schritt über die Grenze seines Reiches zu tun, oder überhaupt nur davon zu träumen. Eigentlich war es sein Traum, welches ihm sein Problem bewusst machte. Die Tatsache, dass er bei jedem Unternehmen, welches er sich vornahm, an die Grenzen seines Reiches zu stossen schien. Dieses Hindernis hat in ihm die Sehnsucht geweckt es zu überwinden. Da dies verboten war, den einzigen Weg dazu, den er vor sich gesehen hatte, wählte er. Wenn er ein Teil von dem, was für ihn die verbotene Grenze darstellte, werden könnte, würde dieses Hindernis nicht mehr bestehen. Dazu musste er ein Stück von „Dem Blau von Himmel“ besitzen. „Dann, dann“ sagte er sich „dann werde ich absolut glücklich.“

„Und was wird der Gott dazu sagen?“ fragte ihn sein Gewissen. „Der wird das gar nicht  merken.“ Antwortete seine Leichtsinnigkeit. „Ich nehme auch nicht viel und nur ganz von der Seite, da sieht man es bestimmt nicht.“ So hatte er sich beruhigt und schlief ein, bis ihn ein gnadenloses rütteln geweckt hatte.

„Na, wer ist den da der Siebenschläfer? Wach auf! Es ist Zeit! Sonst kommst Du nicht rechtzeitig hin!“ Schüttelte ihn der Maulwurf aus dem Schlaf. Der Mensch war sofort wach. Es wurde bereits kühler. Er streckte sich genussvoll „Ich habe soo gut geschlafen!“ „Um so besser, dann kannst Du gleich los, es ist nämlich höchste Zeit!“  Sagte der Maulwurf und der Mensch ging.

Während er lief, wurde es langsam dunkel. Die klare Grenze des Horizont begann langsam zu verschwimmen in rotgelben glühen der untergehenden Sonne. Und wie es dunkler wurde, wurde der Abstand der Wüste zum Rande von Horizont immer kürzer, bis der Mensch plötzlich am Ende stand.

Er hob die Hände über seinem Kopf, fasste das „Blaue vom Himmel“ zwischen die Finger und zog kräftig. Er hörte leises reissen. Schnell wickelte er den abgerissenen Stoff zusammen.  

Er sah durch die so entstandene Öffnung. Wunderschön! Er sah herrliche Gärten mit wunderschönen Blumen, Seen, auf welchen weisse Boote und auch grosse Schiffe in weichen Wellen schaukelten. Am Ufer der Seen sah man grosse kunstvoll gestaltete Städte. In den Städten fuhren tolle Autos herum, in den Lüften flogen Silberglänzende Flugzeuge und überhaupt alles glänzte und schimmerte in allen Farben und war so seltsam. Der Mensch stand da, sah alles und konnte sein Blick nicht abwenden von dieser  Wunderwelt, die ihm bisher verborgen blieb. Er erinnerte sich aber, dass er rasch wieder zurück musste. Er rollte den ausgerissenen Stoff zusammen, drehte sich um und eilte zurück in sein Paradies.

Der Maulwurf erwartete ihn schon. „Na? Hast Du das „Blaue vom Himmel?“ Der Mensch gab ihm sein Stück und der Maulwurf erwartete von Menschen die Frage, welche er versprochen hatte zu beantworten. Der Mensch aber beachtete ihn nicht mehr. Hatte er die Antwort selbst gefunden? In Gedanken versunken, ging er davon. Der Maulwurf rief ihm noch nach: „Du gehst einfach so, ohne Dich zu verabschieden? Sind wir denn nicht Freunde?“

Der Mensch hörte ihn nicht. Er war wie verzaubert. Er hatte seinen Stoff und war glücklich darüber. Aber die Freude, die er erwartete zu haben, hatte er nicht. Er hatte sich seinen Traum erfüllt. War aber seine Frage dadurch beantwortet, oder sind es aus einer Frage noch mehrere geworden und die erste Frage war gar nicht mehr wichtig für ihn? Und wie er da vor sich lief, erschien vor ihm der erzürnte Gott.

„Was hast DU angestellt! Habe ich Dir nicht verboten mein Reich auch nur anzuschauen! Und was tuest Du! Schau Dir das nur an!“ Der Mensch war auf diese Reaktion vorbereitet und fing an sich zu rechtfertigen, wie ihm der Maulwurf geraten hat. Der Gott hörte ernst zu.

Er zeigte auf den Stoff, den der Mensch noch immer in den Händen hielt. „War es das wovon Du träumtest? Bist Du jetzt glücklich, wo Du es ja erreicht hast?“ Der Mensch sah den Gott verunsichert an. „Als ich es nahm, war ich es. Jetzt weiss ich nicht.“

„Schau hinter Dich, was Du getan hast!“ Befahl der Gott. Langsam drehte sich der Mensch und sah zurück. Hinter ihm am Horizont war ein Loch am Himmel, das genau umzeichnete seine Umrisse. Auch, wenn er wollte, konnte er es nicht leugnen, dass er den Schaden verursachte. Eigentlich tat es ihm jetzt leid, er schämte sich.

Der Gott sagte: „Dein Reich war Dir nicht gross genug. Zur Straffe musst Du es von Heute an mit Millionen von Deinesgleichen teilen.“ und er verschwand. Der Mensch hörte gar nicht zu. Er sah zum Loch im Himmel und sehnte sich nach dem, was drinnen war. Und wie er so dahin sah, erschien dort am Himmel ein grosser gezackter Blitz, am Anfang des Loches teilte er sich, fuhr den Ränder nach, nach unten im schnellen Zick Zack hin und her, bis er mit Riesen Krach in der Erde verschwand. Bei dem Lärm leuchtete es so stark auf, dass der Mensch für einen Augenblick erblindete. Als er wieder sehen konnte, war kein Loch mehr zu sehen.

Der Mensch senkte reuevoll die Augen zu Boden und ging weiter. Unterwegs traf er viele Menschen. Am Anfang freute er sich, dass er nicht mehr alleine war. Später aber verstand er die Straffe. Wenn er essen wollte und die Hand streckte um eine schöne Frucht zu pflücken, erschien eine andere Hand und pflückte die Frucht vor ihm weg. Wenn er im Fluss Wasser trinken wollte, planschten und toben drinnen andere Menschen und machten das Wasser trüb.

Wenn er schlaffen wollte, waren alle bequemen Plätze besetzt und überall lärmte es. Die Tiere liefen verscheucht davon. Der Mensch fühlte sich verlassen ohne seine Tiere- seine Freunde und bestraft durch die Einschränkungen, welche die Anwesenheit so vieler Menschen mit den gleichen Bedürfnissen wie den seinen verursachte. Er wanderte von einem Ort zum andern und fand nirgends Ruhe.

Eines Tages näherten sich ihm die anderen Menschen, brachten ihm Früchte und zogen ihn in ihre Mitte. Sie erzählten ihm von sich und ihrem Leben und wollten auch von ihm wissen, wie er sich zu Recht fand in dieser schönen Welt. Sie sahen in seiner Hand den Blauen Stoff, den er immer noch mit sich trug und wollten wissen, woher er es hatte und ob sie auch ein Stück davon haben könnten.

Der Mensch hatte sich gefreut. Jetzt war er nicht mehr alleine. Er hat mit Freude seinen Blauen Stoff unter seinen neuen Freunden verteilt und erzählte ihnen, woher er ihn hatte.

Als er geendet hatte, wurde er nachdenklich. In seinen Augen spiegelte sich Sehnsucht. Die anderen Menschen merkten das und fragten ihn, was los war, warum er so traurig wurde.

Der Mensch setzte sich in ihren Kreis und fing an zu erzählen. Er erzählte von grossen Städten, Strassen, Brücken, wunderschönen Gebäuden, Seen vollen Schiffen, Flugzeugen in den Lüften, Autos auf den Strassen, Zügen auf Schienen. Allen so fantastischen Erscheinungen, die es bis jetzt in Menschenreich nicht gab. Die Menschen wunderten sich und dachten, dass es nur Träume sind. „Nein das sind es nicht!“ Wehrte sich der Mensch. „Das habe ich wirklich gesehen in  Gottes Reich!“  „Und, was sollen wir damit? Wozu ist es gut?“ Fragten die anderen Menschen „Brauchen wir denn so etwas?“ Der Mensch antwortete eine Weile nicht. Er dachte nach. Er dachte nur noch an Das, was er vor kurzem in Gottes Reich gesehen hatte. Er nahm eine Handvoll Sand in seine Hand und sagte: „Es ist nicht der Wunsch, es zu haben, nein. Es ist der Wunsch etwas zu erschaffen, mit Deinen eigenen Händen, mit Deinem eigenen Geist!“ Er nahm ein paar Steine und stellte den einen auf den anderen. Er grub einen Graben im Sand. Er brach Hölzer und legte sie über den Graben. „So etwas selbst zu errichten und nicht alles erwarten fertig vorzufinden. Es ist mühsam und quälend nach Antworten auf Fragen zu suchen, aber auch faszinierend und sehr beglückend, wenn man die Antwort selbst heraus findet…  

Die anderen Menschen wurden nachdenklich. Ja, das ist wahr, es fehlte Etwas in ihrem Glück.

„Zeig uns die Städte, die Schiffe und all das, was Du gesehen hast! Wenn wir was erschaffen sollen, müssen wir es sehen, was und wie es ist!“

Der  Mensch schüttelte traurig den Kopf. „Es ist verboten, wir werden bestraft.“ Die anderen Menschen wurden auch traurig. Sie liefen umher und freuten sich nicht mehr. Sie wussten nichts mehr anzufangen mit ihrer Zeit. Ein Tag verging in ihrem Paradies und noch einer und noch einer. Dann versammelten sie sich alle um den Menschen und hatten angefangen zu bitten und betteln, trotz des Verbotes, ihnen ihren Wunsch zu erfüllen. Da erzählte ihnen der Mensch von der Strafe, die ihm auferlegt wurde und von einer möglichen Neuen, die sicher folgen würde, wenn sie erneut Gottes gebot missachten würden.  Die Sehnsucht und die Neugierde der anderen Menschen aber waren viel grösser als die Angst vor einer Strafe. Diese war ihnen gleichgültig, da sie nicht wussten was es ist. Sie waren alle wie besessen von der Idee, etwas selbst erschaffen zu können. „Na, dann gehen wir!“ sagte der Mensch zu ihnen. Es war ja auch sein grösster Wunsch. Er brachte sie alle an Rand der Wüste und alle warteten, bis der Tag zu Ende ging, so, wie es ihm der Maulwurf geraten hatte.

Als es Zeit war, marschierten sie zum Horizont, der langsam verschwand und die Erde und Himmel in Eins verschmelzen liess. Da standen sie und warteten voller Ungeduld, was sie nun zu sehen bekommen. Der Mensch riss wieder ein Loch in den Himmel, und da sahen sie alle die Pracht des Schaffens, die Grösse der Schöpfung, welche solche Möglichkeiten bot.

„Was sucht Ihr hier?!“ Donnerte von Überall die Stimme Gottes. Alle erschraken. Jetzt, wo ihr Wunsch erfüllt war, fürchteten sie die Straffe, die sie nicht kannten. Und die Kam! Der Gott war sehr erzürnt. Der Mensch stellte sich vor alle in Vordergrund und versuchte vergebens ihre Tat zu rechtfertigen.

„Du hast immer noch nicht genug?“ Donnerte der Gott. Er hielt eine Fackel in der Hand. Es war die Fackel des Krieges und des Streits. Unter Blitzen und Donnern warf er diese ins Reich der Menschen. Die Fackel des Krieges fing Feuer an und dieses Feuer verbreitete sich überall. Die Menschen vertrugen sich untereinander nicht mehr. Jetzt konnten sie Städte und Brücken bauen, Autos, Schiffe, Flugzeuge, Maschinen, aber jeder wollte alles nur für sich, niemand wollte teilen. Jeder wollte das, was der andere hatte. So bauten sie Waffen, mit welchen sie einander bekämpften. Überall Tod, Feuer, Zerstörung.

Der Mensch rannte von Einem zum Anderem, versuchte zu versöhnen, zu schlichten, Frieden zu stiften, aber vergebens. Die Fackel brannte und brannte. Der Mensch wurde wütend. Er packte die Fackel in die Hand, hob sie hoch über den Kopf und ging in die Wüste. Er wartete bis der Tag zu ende war, ging zum Horizont und in dem Augenblick, wo die Grenze zwischen Himmel und Erde verschwand, holte er aus und wollte die Fackel zurück in den Himmelsreich werfen.   

„Halt!“ rief Gottes Stimme. „Halt?! Warum?“ fragte der Mensch „Ich bringe nur zurück, was Dein ist“, er holte aus und wollte werfen. „Nein! Halt! Wenn Du das tuest, zerstörst Du Dein und Mein Reich!“ „Warum wolltest Du dann Mein Reich zerstören?“ Fragte zornig der Mensch. „Ich wollte Dir nur zeigen, dass Dir Grenzen gesetzt sind, die Du akzeptieren musst.“ „Wolltest Du nicht, dass ich glücklich bin?“ Fragte der Mensch. „Ja“ aber nicht auf meine Kosten, nicht in dem Du von mir nimmst, was ich Dir noch nicht gab.“

„Wenn Du mich einschränkst, kann ich nicht glücklich sein.“ Sagte der Mensch.

Der Gott dachte nach. „Du bist jetzt erwachsen“ sagte er zum Menschen. „Ob Du auch reif bist, wird sich zeigen. Das, wonach Du Dich wirklich gesehnt hast, ist – DAS –„ Er fasste die Kriegesfackel mit seiner Hand an und die wechselte die Farbe. Dort, wo sie vorher rot und gelb glühte, leuchtete sie jetzt im strahlend Blau. Menschen wie Gottes Reich wurden beide überflutet mit hellem Blauen Licht. „Das ist die Fackel des Wissens. Das ist die Quelle des Glücks und der Freiheit, aber nur dann, wenn man seine eigenen Grenzen kennt, sich selbst setzt  und diese auch respektiert. Denn, leicht wird sie zur Fackel der Zerstörung! Das hast Du selbst gesehen. Sie gehört nun Dir, versuch es, es ist nicht leicht und Du kannst Dich leicht in Not bringen! Für mich ist hier kein Platz mehr. Ich gehe weg, ganz weit weg von hier, wo Du mich nicht erreichst. Wenn Du mich zu Hilfe brauchst, rufe, vielleicht höre ich Dich und komme helfen. Sonst, hilf Dir selbst! Es war Deine Entscheidung.“ Nach diesen Worten übergab der Gott dem Menschen die blau glühende Fackel und verschwand.

Der Mensch stand nun alleine da mit seiner Fackel des Wissens… und siehe da…wirklich! Endlich, nach so langer Zeit, war er glücklich!

Der Weg ohne Grenzen stand ihm offen! Er wollte diesen Weg gehen und seine eigene Grenzen setzen, aber die ganz, ganz weit weg!!...aber…hoffentlich doch welche…oder?!...