Geschichten

Als das Blau verschwand

Als das Blau verschwand.

 

Klaus und Fritz sassen in der Kneipe bei einem Glass Bier. Klaus sah gar nicht glücklich aus. Es hatte fast eine Überredungskunst gebraucht, damit er sich mit dem Fritz treffen konnte. Kein wunder, er wollte auch etwas von ihm. Deshalb wollte er auch das Bier zahlen. Aber auch da redete sich der Fritz immer wieder aus. Warum nur? Was war denn los? Sonst waren die beiden fast unzertrennlich. Jeden Abend waren sie zusammen.

Klaus was Elektriker und Fritz Maler. Fritz war leidenschaftlicher Hobbygärtner und Klaus Freizeitschreiner. In ihrer freien Zeit haben sie schon einiges zusammen ausgetüftelt. In den letzten Jahren hat jeder von ihnen geheiratet, Familie gegründet und ein Haus gebaut. Die beiden Familien konnten sich gut leiden, waren gute Nachbarn und haben einiges zusammen unternommen.

Warum denn jetzt macht sich der Fritz so rar? Klaus hat sich fest vorgenommen Fritz zu Rede zu stellen. Die ganze Geschichte machte Klaus traurig und er wollte endlich Gewissheit haben, was los war.

„Na, sag schon, Fritz! Was ist los? Hab ich Dir was getan? Warum kommst Du abends nicht mehr in die Kneipe? Willst Du mich nicht treffen? Was ist passiert?“  Bohrte Klaus. Er überhäufte Fritz mit fragen, die alle eines ausdrückten: Angst um ihre Freundschaft und das Begehren zu wissen warum. Fritz hat zusammengedrückt ausgesehen und hat nur in sein Bier geschaut, als ob die Antwort da drinnen zu finden wäre.

„Du hast nicht einmal meine Fensterladen angestrichen, so wie wir das abgemacht hatten. Hattest Du keine Zeit? Das ist doch nicht so schlimm, hättest Du mir doch sagen können! Ist doch kein Grund um sich abends nicht zu sehen!“ Er wollte fortsetzen, aber Fritz brach sein schweigen. „Das ist es ja gerade! Die Fensterladen!“ Klaus starrte ihn verwundert an. Er hätte nie gedacht, dass er da den „Nagel auf den Kopf getroffen hat. „Die Fensterladen sind schuld!? Was interessieren mich die Fensterladen! Vergiss es!“ „Nein, nein! So ist es nicht!“ Wehrte sich Fritz. „Ich wollte sie schon vor einem Monat machen, grad als Du mich darum gebeten hast. Aber die Sache ist so. Du wirst es mir aber sicher nicht glauben.“ Und er wollte sich wieder hinter sein Schweigen verbarrikadieren. „Nein, nein! Jetzt sagst Du es schon.“ Liess Klaus nicht mehr los. „Na dann!“ Platzte es aus Fritz raus.

„Ich kann die Laden nicht machen, nicht, weil ich keine Zeit habe, oder weil ich nicht will, aber, weil ich keine Farbe finde. Du wolltest sie ja doch Blau haben, Himmelblau, nicht wahr?“ „Ja“ sagte Klaus verwundert. „Na, siehst Du? Du wirst es sicher nicht glauben, aber gerade Blau ist vollständig von Markt verschwunden. Einen Monat lang suche ich und finde es nirgends. Ich mochte es nicht Dir zu raten eine andere Farbe zu wählen. Ich wusste doch, wie sehr Du Dich auf das Blau gefreut hast. Deswegen wollte ich nicht kommen, damit Du nicht danach fragst.“

„Das war es also!“ Jetzt war es draussen. Klaus wurde nachdenklich. Eine andere Farbe kam nicht in Frage. Er wollte Blau. Niemand hatte blaue Fensterladen, nur Er würde sie haben! Aber wie jetzt, wenn es kein Blau im ganzem Land gab?“ Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Fröhlich sprang er auf. „Ich hab’s!“ rief er „Du bist doch der Maler. Warum tuest Du das Blau nicht einfach mischen aus anderen Farben?“ „Das geht doch nicht.“ Sagte der verzweifelte Fritz. „Wieso geht das nicht? Ich kann mich von der Schule erinnern, als wir mit Wasserfarben malten, wenn sie nass waren und ineinander liefen, wie sie sich verändert haben.

Aus gelb und blau wurde plötzlich grün, aus rot und gelb orange, rot und blau violett und wer weiss was noch anderes und zum Schluss wurde alles graubraun. Das vergesse ich doch nicht!“ Bestand auf seiner Idee Klaus. „Ja, das mag sein, aber zuerst musst Du die Farbe haben, damit Du sie mischen kannst. Es gibt da ein paar so genannte Grundfarben, die man nicht mischen kann, und Blau ist darunter.“ Erklärte geduldig Fritz. „Unsinn.“ Bestand Klaus auf seiner Sache. Er sah aber, dass der Fritz allmählich wütend wurde. Es waren ja seine berufliche Kenntnisse, die Klaus infrage stellte. Er legte beschwichtigend die Hand auf seine Schulter. „Sei doch nicht Böse, ich will einfach nicht so leicht aufgeben, lass es mich probieren. Natürlich weiss ich, dass Du ein erstklassiger Maler bist und dass Du alles versucht hast um mir mein Wunsch zu erfüllen. Aber, lass mich experimentieren, sehen wir, was draus kommt.“ Fritz fing plötzlich an zu lächeln. „Na gut, wenn Du meinst, dann probier das. Aber ich sage Dir im Voraus, das schaffst Du nicht! An und für sich, sollten wir wetten, dann wird es lustiger.“  Klaus war froh, dass die Sache solche Wendung nahm und ergriff die Gelegenheit. „Gut, zwar gehe ich Übermorgen in die Ferien, aber machen wir es so. (Wenn Du natürlich einverstanden bist.) Eine Woche nach dem ich aus den Ferien zurückkomme, wenn ich Dir nicht eine selbst gemischte Blaue Farbe bringe, habe ich verloren und dafür mache ich Dir…. Kannst Du Dich erinnern? Du wolltest immer in Deinem Garten einen leuchtenden Zwerg haben und ich habe es scheusslich gefunden und wollte ihn nicht zum leuchten bringen? Also, wenn ich verliere, wird Dein Zwerg leuchten.“

Fritz war natürlich einverstanden und die zwei Freunde gaben sich die Hand. Es war alles wieder in Ordnung und sie redeten unbeschwert über andere Dinge und verbrachten einen schönen Abend.

Als Klaus in Gedanken versunken Nachhause kam, küsste er zerstreut seine Frau Anneliese und nahm kaum die fröhliche Begrüssung seiner Kinder Alexandra und Karl wahr. „Alexandra, leihst Du mir bitte Deine Wasserfarben für ein Moment aus?“ Fragte er statt Begrüssung seine Tochter. Die hat sich gewundert, aber als sie sah, dass ihr Vater in Gedanken woanders war, hat sie schweigend seine Bitte erfüllt. Klaus bedankte sich, öffnete die Schachtel mit den Farben, nahm die Blau heraus und drückte sie dem verwunderten Mädchen in die Hand. „Die brauche ich nicht.“ „Aber die brauchst Du sicher Papa!“ Protestierte seine Tochter. „Brauch ich nicht, Ich nicht!“ Wurde der Vater bestimmt.

„Na, dann halt.“ Sagte das Mädchen beleidigt und ging wieder in ihr Zimmer.

Klaus belagerte ein Teil des Küchentisches, trug zusammen alles, was er brauchte um sein „Experiment“ zu starten und vertiefte sich hinein. Seine Frau kannte ihn so gut, dass sie sich gehütet hatte ihn dabei zu stören. Nur von Weiten beobachtete sie, was er tat. Klaus aber machte nichts Geheimnisvolles.

Er mischte sich eine satte Braune Farbe und dann eine Grüne, dann hat er auf dem weissen Papier mit Schwarz ein Haus gemalt. Die Läden an den Fenstern hatte er zuerst Braun gemalt und ins nasse hat er das vorbereitete Grün gemischt. Das Resultat hatte ihn enttäuscht. Er starrte entgeistert darauf.  Dann schüttelte er den Kopf „macht nichts, dann eben anders“. Er nahm ein neues Blatt Papier, diesmal hat er mit Gelb angefangen, dann hat er Grün hineingemischt und danach Braun, dann Schwarz… Nichts, es wurde nicht Blau. „Macht nichts, es gibt noch so viele Kombinationen, er sah hoffnungsvoll an die Schachtel mit den vielen Kübelchen, gefüllt mit den vielen verschiedenen Farben…“eine wird es sein!“

Seine Familie hat inzwischen zu Nacht gegessen und ist schlafen gegangen. Klaus hat nichts um sich wahrgenommen. Er probierte und probierte und je mehr er probierte, desto verbissener wurde er. „Es muss gehen!“

Am Morgen fand ihn seine Frau inmitten von besudelten Papieren mit dem Kopf auf der Tischplatte gestützt, zwischen den verschmierten Farbkübelchen schlafend. Sie weckte ihn. Er musste zu Arbeit gehen. Heute war der letzte Tag. Morgen würden sie nach Griechenland in den Urlaub fahren.

Klaus trank lustlos seinen Kaffee, küsste seine Frau und ging zu Arbeit. Zurück kam er mit aufgehellter Miene, mit einer neuen Schachtel Wasserfarben als Ersatz für die verschmierten und gab sie seiner Tochter. Von seinen Versuchen sprach er nicht. Er freute sich sichtlich auf den bevorstehenden Urlaub. Zusammen mit der ganzen Familie traf er die letzten Vorbereitungen. Morgen würden sie nach Samos fliegen in Badeurlaub. Alles war bereit: Koffer, Rücksäcke, Haushalt. Sie haben eine kleine Wohnung gemietet an einem schönen Ort in der nähe vom Meer und dennoch inmitten von Grün, wie es im Prospekt hiess. Alle freuten sich schon. Nur noch einmal schlafen!

Die Reise war mühsam. Zuerst das Warten Daheim im Fughafen. Dann die Reise selbst. Die Spannung in ein fremdes Land zu kommen, dessen Sprache man nicht kannte. Dann die Kinder, die sich im Flugzeug langweilten und entweder zankten oder einen mit Fragen überschüttelten. Fragen auf welche man die Antwort nicht kannte, würde aber gerne wissen. Endlich der Flughafen in Athen, mit seinem Chaos, der allen Flughafen eigen ist. „Nur die Nerven nicht verlieren! Schön die Sachen abholen gehen, zusammen mit den Anderen, dann fragen gehen, wie es weiter geht. Fragen? Das ist gut, aber wie?!“ In Klaus stiegen die Zweifel auf. „In was für Abenteuer hatte er sich da eingelassen? Hätte er vielleicht doch lieber eine organisierte Reise buchen? Aber wiederum, diesen Ansturm für alles und jedes? Er wollte ruhige Ferien nur mit seiner Familie verbringen. Wie kommt er jetzt an diesen Traum Ort, das man in seinem Reise Prospekt so schön beschrieben hatte, ohne dabei verloren zu gehen?“ Da sah er einen Schalter: „Informationen“. Mit gebrochenen Englisch und dem Prospekt in der Hand versuchte er es und siehe da, es ging. Hilfsbereit zeigte ihm die Angestellte, wo die Busshaltestelle war und auch der Taxi Stand. Sie sagte, dass sie nach Piräus fahren mussten um das Schiff nach Samos zu nehmen.

Klaus ging zu seiner Familie, die inzwischen ihr Gepäck erlangte und alle zusammen quälten sich voll beladen mit ihrem Ferien Krimskrams durch die Menschenmenge zu Busshaltestelle.

Da war schon eine riesenlange Schlange. Verzweifelt spähte Klaus nach der Haltestelle für Taxi. Sinnlos, das gleiche Lied. Schlange muss man stehen, und die Hitze! „Mach Dir nichts draus“ tröstete ihn seine Frau „für diese Wärme und die Sonne sind wir doch gekommen. Nicht wahr?“ Sein Nachbar in der Schlange tröstete ihn auch. „Es geht ja schnell vorwärts, sie haben viele Busse.“ Halbe Stunde oder länger hatte es aber dann doch gedauert.

Im Buss mussten sie sich zuerst von dem groben Gepäck trennen. Das wurde in die Kästen unterhalb des Wagens verstaut. Dann haben sie sich hineingezwängt, alle haben plötzlich pressiert. Zum Schluss fand dennoch jeder Platz zum sitzen. Und los ging die Fahrt! Alles war so Neu und fremd und roch auch so anderes als Daheim. Die Kinder waren plötzlich still. Es gab so vieles zu sehen! Zuerst die Landschaft! Alles war trocken und gelb von der Sonne, bis auf die Palmen, Zypressen, Olivenbäume und Weinberge. Dazwischen sonnenverbrannte Erde, hohes Grass und Sträucher. Dann die Häuser! So zufällig in die Landschaft verstreut! Und die Bauart! So anderes! Die meisten kleinen Häuser hatten kein spitzes Dach, nur Terrassen, auf welchen war Wäsche aufgehängt. Dazwischen grosse moderne Mehrfamilien Häuser, deren Architektur sehr schön und vielfältig war. Dann sah man schöne  und moderne Villen mit sehr viel Fantasie und Geschmack gebaut, richtige Schmuckstücke. Alle waren schön umzäunt und standen inmitten von schön gepflegten Gärten. „Na, bitte, da hast Du Grün!“ Dachte Klaus. Dann näherte man sich der Stadt und das war ein Meer von Häusern, alte und neue. Alles verschmolz in der Menge und dem Lärm.

Die Klimaanlage im Buss kam nicht mehr nach und Klaus schwitzte. Häuser, Häuser, schmale Strassen, breite Strassen, viele Menschen, viele Autos, Hupen, Stau, nochmals Stau, dann endlich der Hafen! Monster von Hafen! Unmenge von Schiffen, Lärm, Chaos. „Jetzt nur nicht verloren gehen!“ rief er seiner Familie zu. „Bleibt alle zusammen!“ Alle stürzten sich aus dem Buss heraus zu den Kästen mit dem Gepäck. „Die Kinder bewahrten die Ruhe. „Wo ist erstmals das Meer?“ wollten sie wissen. Nichts war zu sehen, nur Riesenschiffe, wie Hochhäuser.

Endlich hatten sie das Gepäck in den Händen. Klaus schaute sich um. Die Insel, auf der sie ihre Ferien verbringen wollten hiess Samos. Die Tickets hatten sie bereits von ihrem Reisebüro. Jetzt nur noch das Schiff…Pegasus sollte es Heissen. Nach einigem herumirren mit ihrem Gepäck voll beladen, schafften sie endlich auch das. Die Kinder waren begeistert, trotz der Hitze und der Müdigkeit. Kaum hatten sie ihre Plätze eingenommen, schon sind sie auf Erkundungsspaziergang losgezogen. Die Eltern hatten vorläufig genug gehabt und genossen die Ruhe des Augenblickes, da sie nichts mehr suchen mussten.

Das Wetter war schön und die Reise angenehm. Als dann später auch der Hunger gestillt werden konnte, bekamen alle endlich das Gefühl, dass jetzt schon die Ferien angefangen haben. Nach ein paar Stunden erholsamem Schlaff in den klimatisierten Räumen des Schiffes, war man dann am Ziel.

Schon von der Brücke des Schiffes, beim aussteigen, sahen sie im Hafen mitten unter Anderen herumschreienden und rufenden, einen kleingewachsenen Mann mittleren Alters. Dieser hielt in seinen Händen eine Tafel mit dem Namen von Klaus Familie. Nach kurzer Begrüssung und Bekanntmachung, der kleine Mann hiess Sotirakis, den Nachnamen konnten sie nicht behalten, mit seiner freundlicher Hilfe haben sie  das Gepäck in seinen Transportwagen  verstaut und fuhren  zu ihrer Ferienwohnung. Dort wartete schon auf sie Sotirakis Frau Maria, eine ebenfalls kleine, lebhafte Frau. Beide sprachen Deutsch. Als Klaus sie fragte, woher sie die Sprache kannten, erzählten sie ihnen, dass sie viele Jahre in Deutschland gelebt hatten. Dort verdienten sie auch das Geld, mit welchen sie nach ihrer Rückkehr die Mietswohnungen gebaut haben. Sie entschieden sich zu ihrer Rückkehr, sobald ihre beiden Kinder Margarita und Giannis das Schulalter erreicht hatten. So legten sie ihr schwer verdientes Geld in dieses kleine Touristik Unternehmen an. Jetzt sind sie schon sieben Jahre hier, haben sich hier nach grossen anfänglichen Schwierigkeiten wieder gut eingelebt, das Geschäft läuft gut und sie sind zufrieden.

Klaus schaute sich um. Es gefiel ihm hier. Überall sah er Sauberkeit, guten Geschmack und liebevolle Pflege. Als sie ihr Quartier bezogen hatten, füllten sie sich dort sofort sehr gemütlich. Alexandra und Karl, ihr Bruder, machten sich sofort auf die Suche nach den beiden Kindern von Sotirakis und Maria. Diese schickten sie auf die Suche an den nahen Strand, wohin die beiden  baden gegangen waren. Bereitwillig zeigten sie ihnen auch den Weg dahin, sowieso war es nicht weit. Margarita und Giannis sprachen zwar nicht so gut Deutsch wie ihre Eltern, aber vergessen haben sie es nicht, da jedes Jahr Gäste aus Deutschland kamen und sie mit ihnen sprachen. Die Bekanntmachung war trotz des schwierigen Alters kein Problem, da alle vier das gleiche Interesse hatten, schöne Ferien mit Freunden zu verbringen.

Nach anfänglicher Verlegenheit halfen sie sich sehr schnell mit einem Ballspiel diese zu überbrücken. Es waren auf dem Strand noch andere Kinder aller möglichen Nationalitäten und spielten mit.

Da alle in der gleichen Gruppe waren, für die sie sich zu gewinnen bemühten, kehrten sie Heim bereits wie alte Bekannte. Klaus und seine Frau Annelise wunderten sich nicht wenig, als sie die laute fröhliche Gesellschaft kommen sahen.

Nächsten Tag konnten sich Klaus mit seiner Familie ihre neue Umgebung besser ansehen. Es war dort alles so anderes als bei ihnen in Deutschland. Vor allem hatten Klaus die Farben Eindruck gemacht. Und siehe da, es überwiegte die Blau! Sogar auf den Kuppeln der Kirchen war sie! Weiss die Wände, Blau die Kuppel und alles strahlte so grell in der heissen Sonne. Und das Grün! Das war ein ganz anderes Grün, als bei ihnen Daheim! Als ob von den zwei überwiegenden Farben: Weiss und Blau, etwas in die grünen Töne, welche anderswo vorherrschten, etwas durchgesickert wäre! Das dunkelblaugrüne der Zypressen und Fichten, das Weissgrün der Blätter der Olivenbäume und Weinreben, sogar das Grün der Kakteen hatte einen weissen Stich.

„Na, siehe da!“ Dachte sich Klaus schmunzelnd, als er auch den strahlend blauen Himmel und das herrliche Blau des Meeres sah. „Jetzt weiss ich, wohin die ganze Blaue Farbe von Fritz verschwunden ist. Mal sehen, vielleicht bring ich ihm ein Kübel davon. Muss nur überlegen, welches Blau ich will. Nehme ich das vom Himmel? Zu grell. Das vom Meer? Zu dunkel. Das von dem Kirchturm? Zu hell. Das schönste ist das von den Fensterladen von Sotirakis, ja, das könnte mir gefallen.“ „Gefällt es Dir bei uns?“ Klang hinter ihm eine Stimme. Sotirakis setzte sich zu ihm. „Ja, es ist wunderschön“ seufzte genüsslich Klaus. „So anderes“ setzte er hinzu. „Das stimmt“ pflichtete Sotitakis. „Ihr habt auch schöne Gegenden.“ Klaus liess sich nicht ablenken. „Die Fensterladen, hast Du die selbst angestrichen?“ „Ja“ antwortete verwundert Sotirakis „wieso?“ „sind schön“ entgegnete verlegen Klaus. So erzählte Sotirakis, wie sie vor Jahren von Deutschland zurückkamen. Nach den vielen Jahren Entbehrungen, damit sie etwas Geld sparen konnten, mit dem sie dieses Stückchen Land gekauft haben, und dann zuerst ein kleines Häuschen gebaut und sind in die Ferien immer hierher gekommen. Immer wieder haben sie Etwas dazu gebaut. „Immer Arbeit, immer Arbeit!“ Hatte er versonnen gesagt. „Aber diese da, die hat Spass gemacht. Das war unsere Zukunft hier. Wir haben uns nach unserer Heimat gesehnt. Jedes Jahr immer mehr, bis wir es nicht mehr aushielten und kehrten zurück. Es war noch nicht die richtige Zeit, wir hatten alles Geld in die Baustelle gesteckt und die war nicht mall fertig. Aber, wir sind gekommen. Am Anfang war es sehr schwer. Die Kinder waren noch klein, kein Geld, keine Arbeit. Maria ist putzen gegangen und hat auf den Feldern ausgeholfen.“ Sotirakis erzählte weiter, wie er nachts in Bars und Restaurants serviert, nachmittags Taxi gefahren und morgens auf seiner Baustelle weiter machen versuchte.

Klaus hörte zu. Die Geschichte war nicht viel anderes als die seine. Auch er hatte Arbeit und Entbehrungen hinter sich, bis sein Haus gebaut war, seine Familie gegründet und besorgt. Es sind ja nicht so viele Jahre her, seit dem er sich erlauben kann in die Ferien zu reisen. Sonst hatte er auch jeden freien Tag und Stunde gearbeitet. Dafür kann er jetzt stolz sein. Das Geschäft läuft gut, er ist in seinem Gebiet ein anerkannter Fachmann und hat sehr viele und gute Kunden. Klaus hat sich genussvoll gestreckt. „Ja, jetzt kann er sich ein Bisschen Faulenzen gönnen.“ Sotirakis nickte nachdenklich mit dem Kopf. Er war mit seiner Geschichte noch nicht fertig. „Drei Jahre hatte es gedauert, bis wir aus dem Schlimmsten waren. Drei schwere Jahre!“ Er sah auf seine Hände, welche trugen die Spuren all dessen, was nötig war, damit dieses kleine Paradies entstand. Er sog zufrieden die Luft ein. Sie roch nach Jasmin, Tuberose, Meer und Sonne. „Ja, die Läden habe ich selbst angestrichen“ hat er hinzugesetzt wie ein Punkt hinter all die schwere Arbeit, Sorgen und Leid. „Und die Farbe? Gefällt sie Dir?“ Klaus hat angefangen zu lachen. Sotirakis schaute ihn verwundert, ja beleidigt an. „Was ist daran zu lachen? Gefällt sie Dir nicht? Darin ist eingeschlossen ALLES!

Das ist unsere Farbe. Die von Meer, Himmel, die Kirchtürme, unsere Schiffe, das ist die Farbe der Hoffnung, des Gleichgewichts, der Ruhe des Friedens! Und Du lachst!?“

Klaus hörte auf zu lachen, wurde ernst und erzählte Sotirakis seine Geschichte von seinen Fensterladen und von seinen Versuchen eben diese Farbe zu mischen. „Das kriegst Du nicht fertig! Das ist Grundfarbe, die kannst Du nicht mischen, die gibt es einfach so. Einfach so, wie das Leben, die Freude, das Leid, einfach so..“ wiederholte er nachdenklich. „Aber, wenn Du sie nicht bei Euch findest, warum kaufst Du sie nicht hier und schickst sie zu Euch?“ „Gute Idee“ sagte Klaus „Vielleicht mache ich es so zum Schluss.“ Dann kam Maria und rief Sotirakis zum Telefon. Klaus blieb alleine seinen Gedanken überlassen. „Interessant“ dachte er sich „Dieser Mensch identifiziert sich fast mit dieser Farbe. Wenn ich mich so umschaue, hat er Recht. Sie ist hier überall. Aber wie kam ich dazu, gerade diese Farbe auf meinen Fensterladen haben zu wollen?“ Klaus schüttelte den Kopf. Irgendwie kam ihm das jetzt absurd vor. „Na ja, “ gestand er sich „ich wollte einfach was anderes haben als die Nachbarn.“

In dem Moment kam Anneliese voll beladen mit bade Zubehör. „Komm, ich kann es gar nicht erwarten ins Wasser zu springen und nachher machen wir uns ein Superfrühstück“ sagte sie voll Freude. „Die Kinder sind schon am Strand.“

Die erste Woche war schon vorbei. Klaus und seine Familie haben sich an ihre Umgebung schnell gewöhnt. Die Hauseigentümer waren sehr freundlich und sie haben manchen Abend zusammen verbracht.

An diesem Tag am Nachmittag wollte Klaus mit seiner Frau eine kleine Wanderung machen. Sie wollten den Hügel hinauf wandern bis zu einer kleinen uralten Kirche. Sie wurde in der Nähe einer Quelle gebaut, man behauptete, die Quelle hatte heilende Eigenschaft. Es würde ein angenehmer Spaziergang werden, auf einem Pfad, welches vor Jahrhunderten durch fleissige Hände mit Steinen gepflastert und in den Fels Stufen gemeisselt wurden. Steinen und Stufen, welche durch die Jahrhundert von unzähligen Pilgern glatt getreten waren.

Die Sonne stand schon schräg, trotz dem war es am Anfang der Wanderung noch recht heiss. Deshalb konnte man die Kinder nicht überzeugen, dass so ein Spaziergang besser wäre als Schwimmen im kühlen Meer.       

Als sie zwischen die Olivenbäume und Zypressen traten, wurde es kühler und es roch überall herrlich würzig. Sie kamen zügig voran trotz der Steigung. Ein Tritt nach dem anderen. Hie und da machten sie auch eine kleine Pause, diskutierten sie über ihre neuen Freunde, sie planten, die Familie Sotirakis nach Deutschland zu ihnen einzuladen.

Als sie oben endlich angekommen waren, haben sie zu Anfang nur die Quelle gesehen. Ein grosser schwarzer Fels, voll überwuchert mit Schlingpflanzen. Ringsherum standen riesige Bäume, welche angenehmen Schatten spendeten. Es war fast ein Bisschen düster ringsherum und alles roch so sonderbar nach Moos und wilden Blumen. Das Wasser sprudelte unterhalb von dem Felsen und floss anfangs in ein kleines im Stein gehauenes Becken. Aus diesem natürlichen kleinen Brunnen floss das Wasser weiter durch einen mit glatten Steinen ausgelegten, ca.20cm breiten Graben den Berg herunter und verschwand dann zwischen den Bäumen. Man ahnte ihn nur durch sein beruhigendes Plätschern.

Klaus sah sich um. Er suchte die Kirche. Seine Frau, die aus seinem Blickfeld verschwand, rief ihn von irgendwo hinter dem Felsen. Es führte dahin ein schmaler Pfad. Als Klaus seine Frau fand, stand sie auf einem kleinen Vorplatz, gepflasterten mit Steinplatten welche gänzlich mit Moos überzogen waren. Eigentlich standen sie an der hinteren Seite des Felsen, aus dem das Wasser floss. Da war der Eingang in die kleine Kirche. Sie war förmlich in den Stein gebaut. Eigentlich umgekehrt. Der Stein in die Kirche hinein gebaut, da der Fels die Rückseite der Kirche bildete. Von innen war der Stein gleichzeitig der Altar der Kirche. Eigentlich war es fast nur eine Kapelle, so klein war sie. Sie stand offen da, schön sauber und liebevoll mit frischen Blumen geschmückt. An den Wänden sah man Malereien. Sicher die Heiligen Schützpatronen der kleinen Kirche. Aber die trugen schwer an den Spuren der Zeit und der bewegten Geschichte der Insel und so sah man kaum mehr als die Umrisse der Heiligen. Dafür hingen an den beschädigten Wänden Ikonen, neue und alte, manche mit ziseliertem Silber verkleidet, von denen man nur die gemalten Gesichter sehen konnte. Der Duft der Blumen, mit welchen die Ikonen und das Altar geschmückt waren, hing schwer in der feuchten und immer noch warmen Luft.

Klaus war sonderbar zumute. Sehr gläubig war er nicht. Dennoch, hier hat er unwillkürlich ein Kreuz gemacht. Seine Frau stand da ergriffen von dem Mysterium der Umgebung, in der Hand hielt sie ein paar Blumen, die sie Unterwegs gesammelt hatte. Jetzt  trat sie an das Altar und legte sie zu den Anderen. Klaus hatte für sich gedacht: „Gut, das es noch solche Orte gibt. Früher zuflucht für die Menschen, Heute  für die Gedanken. „Morgen, wenn ich wieder Stress haben werde, werde ich in Gedanken hierher flüchten“ versprach er sich.

 Seine Frau hat sich endlich von der Verzauberung des Ortes gelöst und ist hinausgegangen um sich die Umgebung besser anzusehen und vor allem die Aussicht zu bewundern.

Klaus wollte noch nicht weg von der wohltuender Ruhe und setzte sich auf ein klappriges Stuhl in der Ecke und genoss die Stille. Plötzlich wurde er unruhig. Er realisierte: „Die Stille!“ Die Stille war es, die ihn beunruhigte. Jetzt war sie nicht mehr wohltuend, nein, jetzt war sie bedrohlich! Die Vögel haben aufgehört zu zwitschern und singen. Es war eine absolute Stille um ihn. Nichts rührte sich. Er sprang auf und lief hinaus aus der kleinen Kirche und rief seine Frau. „Anneliese! Anneliese!“ Rief er und suchte mit den Augen durch die Umgebung. Und schon hörte er ihre Stimme, aber nicht sehr fröhlich, als ob sie Schmerzen hätte. „Wo bist Du?! Anneliese!“ „Hier, hier!“ klang es von irgendwoher unter seinen Füssen. Er sah den Hang hinunter und entdeckte seine Frau, wie sie mühsam versuchte den steilen Hang hinauf zu krabbeln auf allen vier, sich haltend an den stacheligen Büschen, welche überall herum wuchsen. „Was machst Du dort?!“ „Ich bin ausgerutscht und mein Fotoapparat ist mir da heruntergefallen und da musste ich ihn holen und dabei habe ich mir den Fuss verstaucht, autsch! Hilf mir hoch zu kommen!“ und sie streckte ihm den zerkratzten Arm entgegen. Klaus zog sie schnell zu sich hinauf und untersuchte ihre Kratzer. Zum Glück war es nichts Ernstes. Schlimmer war es mit dem verstauchten Knöchel. „Wirst Du herunter kommen können, oder soll ich Hilfe holen?“ „Nein, nein! Das schaffe ich schon, wenn Du mir ein Bisschen hilfst.“ Sagte sie Zähne zusammenbeissend. Klaus zog ihr den Socken aus, ging zur Quelle, machte ihn nass, zog ihr ihn wieder an und darüber den Turnschuh, den er fest zuband. „Na? Hast Du jetzt besseren Halt?“ „Ja, das ist besser“ sagte sie und sich stützend an seiner Schulter humpelte sie neben ihm den Rückweg hinunter. Zwar ging es langsamer als hinauf, aber die Beiden waren mit ihrem Spaziergang zufrieden und sprachen begeistert über ihre Entdeckung. Plötzlich, als sie etwa den halben Weg hinter sich hatten, hat ein unangenehmer Geruch sie beunruhigt. Als ob irgendetwas brannte. Klaus überlegte schnell. „Hier im Wald ein Brand? Oh nein! Das wäre der Tod!“ Anneliese dachte nur an die Kinder. „Ob sie wohl in Sicherheit sind?“ Sie beschleunigten die Schritte. Seine Frau stöhnte. Schneller konnte sie nicht gehen. Klaus hängte sich ihren Arm um den Nacken und stützte sie stärker. Sie mussten sich beeilen. Anneliese verstand es und so rannten sie fast aus dem Wald. Bald konnten sie von Rauch fast nicht sehen. Das Atmen fiel ihnen schwer.

Bis sie zum Haus von Sotirakis kamen, haben sie längst gewusst was los war. Ihr Herz raste zum zerspringen. „Wo sind die Kinder!?“ war ihr einzige Gedanke. Menschen hat man nirgends gesehen. Klaus rief nochmals und nochmals. Anneliese sass erschöpft auf der Bank vor dem Haus, ausser Atem, sie weinte. Plötzlich hörten sie ein Motorrad kommen, das tauchte aus den Rauchschwaden auf. „Sotirakis!“ „Schnell! Ihr müsst weg! Die Kinder sind mit den meinen in Sicherheit, sie sind mit Maria. Ich habe Euch überall gesucht! Alles hier herum brennt bereits, bald ist das Feuer auch hier! Wir können nichts mehr tun. Schnell, sonst können wir nicht mehr weg! Nimm nur das nötigste mit. Annelese! Steig auf, ich nehme Dich auf dem Motorrad mit. Aber Du Klaus, muss es zu Fuss versuchen, wir haben keine Zeit den Weg nochmals zu machen. Mach schnell, ich warte auf Dich, damit Du den Weg findest!“

Klaus rannte ins Haus. Von Rauch konnte er fast nichts sehen. Schnell im Zimmer angekommen, suchte er seinen kleinen Rucksack mit den Papieren, Ausweisen, Geld und dem wenigen Schmuck das Anneliese mit hatte und schon war er wieder draussen, wo Sotirakis schon ungeduldig hupte. Er druckte ihm eine Wasserflasche in die Hand. „Mach Dich nass, sonst hältst Du das nicht aus!“ Klaus wunderte sich, aber er goss sich trotz dem den Inhalt der Flasche über den Kopf und Kleider.

„Komm! Lauf schnell mir nach!“ rief Sotirakis und fuhr los. Anneliese schluchzte nur leise auf dem Hintersitz, die verweinte Augen von Schreck weit aufgerissen. Klaus dachte nur: „hoffentlich übersteht sie den Schock, den sie offensichtlich hatte.“ Er rannte hinter dem Motorrad. Sie tauchten in den dichten Rauch. Vor ihnen tat sich eine Flammenwand auf, unten rot, oben schwarz und es brannte alles! Auf der Haut tausend Feuernadeln und in den Augen brannte es! Die Lungen weigerten sich die glühende Luft bar jeglichen Sauerstoffs einzuatmen und es brannte!  brannte!

Klaus stolperte weiter. Er hat nichts mehr gesehen, das Motorrad hat er aus den Augen verloren, er hat ihn auch nicht mehr gehört. Er hörte nur den betäubenden Lärm des Feuers, das Gebrüll eines Monsters, sein Geheul, Gekratze! Um ihn herum fielen brennende Bäume, zischten aufgeplatzte Tannzapfen die wie Feuergeschosse herum flogen. Er wollte nur atmen, es ging nicht. Die heisse Luft brannte in seinen Lungen, sie drang in seinen Körper von überall. Er schloss die Augen und zog den nassen Tshirt über den Kopf. Er stolperte weiter, der brennende Boden durchbrannte ihm die Turnschuhe, aber er achtete nicht darauf, er stolperte weiter. Langsam verlor er das Bewusstsein, er wusste nicht mehr, wo er sich befand, seine Füsse knickten ein, er fiel zu Boden. Als er mit den Händen auf einen brennenden Ast ankam, kam er zu sich. Er stand mühsam auf, versuchte weiter zu gehen. Es wurde ihm bewusst, dass er nicht mehr weiter konnte. „Ist Das das Ende?“ Ging ihm durch den Kopf. Fast hatte er sich das gewünscht. Er litt so sehr unter der Hitze, die ihm die Lungen verbrannte, die Augen, die Füsse, aber am schlimmsten war die Atemnot. Er wollte nicht mehr leiden, er fiel wieder zu Boden, er wollte bleiben wo er war, obwohl es überall brannte wo er ankam. Plötzlich fing er an zu lachen. Wie lächerlich war  doch sein Ärger mit den blauen Läden! Wie kam er überhaupt in diesem schrecklichen Moment darauf? Er wusste es nicht, es war ihm auch egal, aber er lachte, lachte die letzte Luft aus seinen gequälten Lungen.

Und da, wo alles für ihn schien zu enden, griff ihn jemand am Arm und zog ihn Hoch. Er konnte nicht aufstehen, er wollte ja gar nicht mehr. Aber der jemand war hartnäckig und dann kam noch jemand und zog ihn am anderen Arm. Sie bekamen ihn hoch, sie trugen, sie zogen ihn weg, „noch ein paar Schritte“, sagten sie und da hatte Klaus wieder atmen können und es wurde nicht mehr so heiss um ihn. Es wurde immer besser. Je mehr Luft in seine Lunge kam, desto besser konnte er laufen. Jemand nahm ihm das Tshirt  vom Gesicht, er machte die noch schmerzende und tränende Augen auf und sah das geschwärzte besorgte Gesicht von Sotirakis. „Alles O.K.?“ fragte er bekümmert. „Alle anderen sind in Sicherheit.“ Antwortete er auf seine unausgesprochene Frage.

Klaus sah sich um. Hinter ihm die Hölle, an ihren Grenzen mehrere Feuerwehrautos und die Feuerwehrmänner in Bereitschaft, entschlossen das Feuer zu stoppen hier und jetzt in seiner ganzen Wucht. Neben ihnen die Dorfbewohner bewaffnet mit Ästen, Schaufeln und mit allem, was sich als Waffe gegen Feuer eignete, entschieden sich zu wehren gegen dieses Ungeheuer, das aus dem Käfig entlaufen war.

Sotirakis führte Klaus zum auf der Seite der Strasse stehenden Krankenwagen. Die Krankenpfleger verteilten Wasser, Masken und verarzteten kleine Brandwunden und Schürfungen, die sich die Menschen bei dem Kampf mit dem Feuer zuzogen. Ein paar Meter weiter am Strassenrand sass seine Familie zusammen mit weiteren anderen Dorfbewohner und Feriengästen. Die Begrüssung war stürmisch, haben sich ja alle um ihn gesorgt. Annelieses Fussgelenk war verbunden und sie versicherte Klaus, dass es nicht mehr so wehtat. Sie hat sich von dem Schock erholt und war heilfroh, Klaus wieder bei sich zu haben. Die Kinder sahen ungläubig auf die Feuerwand, welche sich im Hintergrund erstreckte. Also, von derartigen Abenteuern hatten sie fürs Erste genug. Dann kam ein Autobus, Maria sagte, dass alle Feriengäste werden von der Insel auf eine andere gebracht. „Ihr kommt wieder, wenn alles hier vorbei ist.“ Setzte sie beruhigend zu. Ihre Augen waren voll Trauer. „Sie haben alles, was sie so mühsam aufgebaut hatten, wieder verloren.“ Ging wie ein Blitz Klaus durch den Kopf. „Und Ihr? Und die Kinder? Was macht Ihr?“ fragte er besorgt. „Wir löschen das Feuer zusammen mit den Anderen und dann sehen wir…“ antwortete sie mit müder Stimme. Sie half Klaus Familie in den Bus einzusteigen und dann stand sie da zwischen ihren Kindern und winkte…    

Vom Schiff aus sah Klaus die ganze Katastrophe. Es sah so aus, als ob die ganze Insel ein einziger brennender Vulkan wäre. Menschen auf dem Schiff erzählten, dass auch Leute bei dem Feuer umgekommen waren und es gab noch einige vermisste…

Sie wurden in Hotels untergebracht und an und für sich könnten die Ferien weiter gehen. Zwar waren alle ihre Sachen verbrannt, aber die konnten leicht ersetzt werden. Aber Klaus hat sich nicht entspannen können. Er hat an seine neuen Freunde gedacht. „Was machen sie wohl? Ist ihnen nichts passiert? Wie werden sie weiter leben ohne ihre Existenz?“

Eine Woche war vergangen, bis das Feuer wirklich überall gelöscht wurde. Klaus hielt es nicht mehr aus. Übermorgen reisten sie wieder zurück Nachhause. Er wollte nicht abreisen, ohne sich von seinen Freunden zu verabschieden und ohne zu erfahren wie es ihnen geht. Er sprach darüber mit seiner Familie, sie wollten es auch. So organisierten sie einen Bootsausflug zu ihrem vorherigen Ferienaufenthaltsort. Es war nicht leicht, aber sie haben es durchgesetzt.

Ein Fischerboot brachte sie zu der Insel. Die war allerdings nicht wieder zu erkennen. Natürlich, im Hafen selbst hat man von dem Brand nicht viel gemerkt. Nur die Luft, die stank nach Verbranntem. Wenn man aber ein Bisschen ins innere der Insel vorgedrungen war, hat man die Katastrophe gesehen. Verbrannte Autos am Strassenrand, verbrannte Häuser, die ganze Umgebung. Überall verzweifelte Menschen, die das alles noch nicht so richtig begriffen hatten.

Als sie zum Haus von Sotirakis und Maria ankamen, haben sie erst dann alle diese Menschen richtig verstanden. Sie standen vor einer verkohlten Ruine. Nur ein Raum stand noch halbwegs. Aus dem kam jemand heraus mit einem Eimer voll schwarzen Wasser, das sie ausleerte. Es war Maria. Nicht die fröhliche saubere hübsche Maria, aber eine müde, traurige geschwärzte Maria. Sie blieb da stehen und sah in ihre Richtung und erkannte sie. Sie versuchte zu lächeln und winkte ihnen. „Sotirakis ist am Strand“ sagte sie. Klaus ist zu ihm gegangen. Anneliese und die Kinder wollten Maria helfen.

Sotirakis war tatsächlich am Strand. Er sass auf einem grossen Felsen und starrte auf den Horizont, wer weiss wie lange schon. Klaus setzte sich neben ihn und legte behutsam seinen Arm um seine Schultern. Er bewegte sich nicht, als ob er ihn überhaupt nicht wahrnahm. Plötzlich sprach er: „Nächste Woche bin ich dort.“ Er zeigte auf den Horizont. Klaus erschrak. „Was sagte er?“ „Na, na, das wird doch nicht so schlimm!“ wollte er ihn trösten, „mach keine Dummheiten!“ „Aber nein!“ erwachte Sotirakis aus seiner Erstarrung. „Ich habe angeheuert als Koch auf einem Kreuzfahrtsschiff.“  „Und Maria und die Kinder?“ Fragte Klaus besorgt. „Sie wohnen bei Marias Eltern im Dorf. Maria wird in dem Raum, dass gerettet wurde eine Kaffeestube aufmachen und langsam bauen wir alles wieder auf. Es wird Jahre dauern, die Kinder werden Gross und brauchen auch Geld für ihr Studium…aber sie werden jetzt auch mithelfen da sind wir jetzt vier…ala, echi o theos!“ Sagte Sotirakis unvermittelt auf Griechisch. Klaus verstand: Mit Gottes Hilfe!“ Er staunte vor so viel Kurrage.  Er drückte Sotirakis an sich. Er wollte ihm Kraft geben und hat Kraft von ihm bekommen. „Ja, das Leben geht weiter!“ Sotirakis sog tief Luft ein, er Zeigte auf den blauen Himmel, das blaue Meer. „Da, siehst Du?!“ Seine Stimme überschlug sich. „Das sind unsere Farben, unendlich, ewig, voller Hoffnung!“ Er Atmete aus, öffnete die Arme als ob er nun wieder auferstanden wäre. Er war voller Zuversicht und Tatenkraft. „Wir bauen alles wieder auf, die ganze Insel!“ Er sah Klaus an, die Hände fielen herunter, aber seine Augen leuchteten: „Wie sagt man das bei Euch? Unkraut vergeht nicht!“ Klaus drückte ihm die Hand, sie gingen zurück. Im Haus waren alle beschäftigt. Sie räumten den verbrannten Schutt weg und die Frauen säuberten Fenster und Boden. „Bis nächste Woche wird es hergerichtet sein.“ Sagte Sotirakis stolz. Klaus nickte, er glaubte es. „Warte!“ sagte Sotirakis zum Klaus und verschwand kurz hinter der Ruine. Als er wieder erschien, hielt er ein kleines Gefäss voll Blaue Farbe. Dem fragendem Blick von Klaus kam er voraus: „Ich wusste, dass Du kommen wirst. Damit Du uns nicht vergisst!“ setzte er schelmisch zu und nach einer kleiner Pause noch: In fünf Jahren komm wieder, dann siehst Du, was wir geschafft haben!“ „Und Du“ erwiderte Klaus “Wenn Du einen Weg hast in der Nähe unserer Stadt, vergiss nicht zu kommen! Und Maria mit den Kindern erwarten wir in den Ferien bei uns! Klar, haben wir dort, wo wir wohnen kein Meer und nicht so viel Sonne, aber schön ist es bei uns auch!“

Und so kam Klaus mit seiner Familie zurück Nachhause und fast als einziges Gepäck haben sie dieses Eimerchen Blauer Farbe mitgebracht. Sie standen vor ihrem Haus und sahen es mit ganz anderen Augen an.

In der Kneipe teilte Fritz Klaus mit, dass er die Blaue Farbe endlich gefunden hatte. „Ich auch“ sagte Klaus nachdenklich, „aber ich möchte die Läden Braun haben“ sagte er zu dem erstaunten Fritz. „Aber Du hattest Recht, die Farbe kann man nicht mischen, die gibt es einfach so… und Morgen kriegst Du Deinen leuchtenden Zwerg.“ Und den kriegte Fritz dann auch.