Geschichten

Die abgestandene Zeit

Die abgestandene Zeit.

Nach einem halben Jahr Abwesenheit öffne ich die Tür meiner Wohnung. Es roch schlecht darin. «Abgestandene Zeit eben» dachte ich und beeilte mich die Fenster aufzumachen. Diese klemmten aber und liessen sich nicht öffnen. Anstatt dessen wummerte es um mich herum. «Abgestanden denkst Du? Ausgesperrt! Verloren! Verpasst hast Du mich! Weisst Du überhaupt was hier in der Zwischenzeit passiert war!?» «Nein, aber was macht das schon? Ich war während dessen irgendwo anderes und da passierten auch Sachen, Ereignisse, Geschehnisse. « «Aber ich war nicht dort, mich hast Du hier eingesperrt.» «Ging nicht anderes. Dort war eine andere Zeit.» «Aber nicht ich!» «Macht nichts. Ein anderer Teil von Dir, auch der gehört mir.» «Ist nicht wahr. Ich gehöre niemand. Ich beherrsche alles: Dich, alles was da ist, die Gegenwart, die Vergangenheit und die Zukunft. Du wirst noch sehen was Dir passiert, wenn Du nicht da warst! Weisst Du was alles Du verpasst hast?» « Nein. Werde ich aber wohl erfahren.» «Ja, aber wenn was falschgelaufen ist in Deiner Abwesenheit, dann kannst Du es nicht wieder rückgängig machen.» «Pech gewesen dann.» «Nur Pech?! Du hast ein halbes Jahr verpasst und nennst es Pech??» Es wummerte um mich ganz wütend. «Tu doch nicht so, die Zeit anderswo war ganz schön und ist eigentlich auch ein Teil von Dir.»  «Nein! Das Bestimme ich was wahr ist und was nicht.» «So, und was ist mit den anderen Geschehnissen anderswo?» «Das geht Dich nichts an! Und überhaupt hab ich keine Zeit mit Dir zu streiten. Ich muss vorwärts kommen!» Und da haben angefangen die Zeiger an der Uhr sich zu drehen wie wahnsinnig. »So», denke ich mir. «Dir zeige ich es!» Gehe zu der Uhr und entferne die Batterie daraus. Das Wummern hörte auf, nur ein Seufzer war zu spüren: «Du kannst mich nicht stoppen! Wirst sehen!» « Werde ich auch!» Brummte ich und bemühte mich weiterhin die Fenster zu öffnen.

Irgendwann kam der Abend. Es wurde dunkel. Ja, die Zeit war fortgeschritten auch ohne die Uhr. Ich machte die Batterie wieder zurück in die Uhr und richtete die Zeiger. «Siehst Du?! Du brauchst mich doch. Und das, was passierte in der Vergangenheit kannst nicht reparieren.» «Ja und? Ich kann nur jetzt etwas richtig machen…wenn ich will und für die Zukunft vorbeugen, wenn ich weiss was. Und überhaupt, was soll der ganze Streit?! « «Du bist schuld. Du hast mich hier eingesperrt und bist weggegangen.» «Das hast Du auch können. Anstatt dessen hast dich nicht geteilt, überall sein wollen und mir jetzt die Schuld geben? Und weisst Du was? Dich haben wir Menschen erfunden für uns selbst. Dich gibt es sonst nirgendwo im Weltraum. Wenn wir Menschen aus der Welt verschwinden, gibt es Dich auch nicht. Was willst Du dann eigentlich? Über uns Menschen regieren? Uns unterdrücken, strafen, jagen? Du müsstest doch wissen, dass Du genauso winzig klein und unbedeutend bist wie wir Menschen, die Dich geschaffen haben, als Hilfe und nicht als Feind. Ist Dir das klar?!» «Mmmmhmmm. Frieden dann?» «Frieden und las mich die Fenster aufmachen, damit frische Zeit… Du hinein kommt.»