Geschichten

Das Eichhörnchen und der Baum

Das Eichhörnchen und der Baum.

Ein kleines braunes Eichhörnchen kam öfters auf unseren Balkon. Neugierig untersuchte es alle Pflanzen in den Blumentrögen, ob es etwas Essbares darunter wäre. Manchmal lag dort ein Apfelschnitz, ein Erdnüsschen, manchmal auch nichts. Das störte es aber nicht. Es besuchte alle anderen Balkone und sicher fand sich auch dort etwas Gutes.

Das Eichhörnchen lebte auf einem grossen Baum in der Nähe des Hauses, inmitten mehrerer grossen und kleinen Bäume und Sträucher am Rande der Böschung eines kleinen Baches. In dieser grünen Nachbarschaft lebte es dort nicht allein. Auch andere Eichhörnchen, Vögel, Mäuse und Insekten lebten dort in einer lebhaften Gemeinschaft.

Die Jahreszeiten kamen und gingen. Mal wurden die blätterlosen Äste der Bäume beschwert von Schnee, mal trieften sie von Regenwasser. Am schönsten war es, wenn sie sich neu kleideten mit frisch grünen Blättern und noch schöner, wenn sie in ihrer schönsten Pracht erblühten. Da kam das Eichhörnchen nicht auf den Balkon zu Besuch, es war beschäftigt.

Bis dann eines Herbsttages etwas schweres und riesiges vor unserem Fenster erschien. Es war eine grosse Maschine, deren riesiger Kranen Arm Bäume um sich herum abschneidet. Es sägte die schönsten und grössten Bäume um. Die Maschine schnitt ihre Äste ab und vermahlte sie zu feinem Sägemehl. Die prächtigen dicken Stämme sägte sie in gleichgrosse Stücke und stapelte sie auf einen Haufen. Dann fuhr die Maschine fort. So plötzlich, wie sie kam.

 Es wurde still in der Umgebung. Die erschrockenen Tiere wagten sich eine Weile lang nicht der Gegend zu nähern. Plötzlich sah ich das Eichhörnchen in der Nähe des Holzhaufens herum zu suchen, rennen und springen. Es fing an, sein Baum, auf welchen es sein Nest hatte, zu suchen. Es fand diesen und setzte sich davor.

«Baum! Warum liegst Du da am Boden? Wo sind deine Äste? Wo ist mein Nest? Du machst mir Angst! Stehe auf! Ich kann in deiner Nähe gar nicht atmen!»

Der Baum schwer atmend antwortet mit sterbender Stimme.

«Siehst du nicht? Ich sterbe. Die Menschen haben mich abgesägt, meine Äste zu Sägemehl vermahlen. Ich werde nie mehr grüne Blätter bekommen, auch nie mehr blühen. Das, was Dir den Atem nimmt, ist das CO2, das Kohlendioxid, der Atem des Todes. Gehe weg von mir, sonst stirbst du auch!»

«Wo soll ich aber wohnen? Du warst mein Zuhause!»

«Such die ein anderen Baum, sind noch ein paar kleine übriggeblieben!»

«Da wohnen andere Eichhörnchen, die jagen mich weg. Wo soll ich hin?»

«Du musst auswandern und weiter suchen…. suuchen…»

Der Baum hauchte seinen letzten Atem aus und antwortete nicht mehr.

Das Eichhörnchen sass da und wartete. Nichts rührte sich aber. Auch die stickige Luft war weg. Absolute Stille herum.

Da sprang das verzweifelte Eichhörnchen davon, einen anderen Baum zu suchen, der sein neues Zuhause werden sollte. Weit, weit weg von diesem schrecklichen Platz, wo es nicht mehr hingehörte.

Ich sah es nicht mehr wieder….