Für Kinder

Ende gut, alles gut.

Ende gut, alles gut.

Die Vernunft und Leichtsinn, zwei Mädchen, sich liebende Kusinen, und ihre Grossmutter die Wahrheit.

 

Die Vernunft war ein sehr liebes Mädchen, immer ernst, bescheiden, ein bisschen zurückgezogen auf eine Art melancholisch in ihren Handlungen. Sie kleidete sich ernst, gepflegt, aber ohne grosse Fantasie. Ein Grund, aus welchen sie immer von ihrer Kusine Leichtsinn geneckt und herausgefordert wurde um es zu ändern. Leichtsinn war genau das Gegenteil von Vernunft. Sie war immer in Bewegung, lustig, schnell in ihren Entscheidungen. Obwohl, und da oft unbedacht, führten diese zu kleinen Katastrophen. Sie aber schaffte es, sich aus allen Unannehmlichkeiten herauszuziehen. Immer mit einem entschuldigenden Lächeln und paar klugen Ausreden, regelte sie alles zum Schluss zum guten Ende. Leichtsinn kleidete sich gerne ein bisschen nachlässig, aber mit freundlichen Farben und Originalität. Sie war immer voll von Ideen und jederzeit bereit, sie sofort zu verwirklichen, obwohl die meisten unrealisierbar waren. Sie hat Vernunft oft gehänselt und trotzdem liebevoll in alle ihre Unternehmen hineingezogen. Das war natürlich selten ohne Unannehmlichkeiten und Gefahren, in welche sie beide brachte.

Einmal entschieden sich die zwei Mädchen ihre liebe Grossmutter die Wahrheit zu besuchen. Die Grossmutter wohnte in einem nahegelegenen Städtchen. Der Weg dahin führte durch einen Wald, welches durchquerte ein kleiner Fluss. Beide Mädchen bereiteten sich auf ihre kleine Reise entsprechend. Erstens, vorbereitete jede ein Geschenk für ihre geliebte Grossmutter. Die Vernunft hat schon lange gespart, damit sie für ihre Grossmutter neue Brille kaufen konnte. Die Grossmutter hat sehr gerne gelesen und da ihre alte Brille kaputt war, konnte sie nur mühsam ihrer Lieblings Beschäftigung nachgehen. Das wusste Vernunft und freute sich schon mit dem Gedanken an die Freude Grossmutters. Sie packte die neue Brille in ein schönes Etui und band eine rosa Schleife darum.  Leichtsinn erschien mit einem schönen Käfig mit einem Kanarienvogel darin. Sie dachte, dass ihre Grossmutter alleine lebte und sicher litt unter der Einsamkeit. Der Kanarienvogel würde ihr mit seinem Gesang eine gute Gesellschaft leisten.

Beide haben sich sehr gut vorbereitet. In ihre Rucksäcke haben sie ihr Essen, Wasser, Regenschutz und Sonnenhut eingepackt. Sie haben sich von ihren Eltern verabschiedet und sind gegangen.

Sobald sie sich von ihrem Zuhause entfernten, hat die Leichtsinn angefangen zu singen und springen von Freude. Immer wieder umarmte sie die Vernunft und küsste sie vor Freude. Auch Vernunft war voll Freude und obwohl leise, sang sie mit. Als sie aber in den Wald angekommen waren, wurde Leichtsinn müde. Sie setzte sich ins Grass, öffnete ihren Rucksack, und ass alles was sie hatte. Um sonst warnte Vernunft nicht alles zu essen, da sie noch weiten weg vor sich hatten. Davon liess sich Leichtsinn nicht beeindrucken. Sie ass, bis sie nicht mehr konnte. Dann trank sie noch viel Wasser und legte sich zum Schlaffen hin. Vernunft hatte viel Mühe gehabt sie später zu wecken und sie zu überzeugen ihre Reise zu fortsetzen. Sie mahnte Leichtsinn sich zu beeilen, da sie noch weiten Weg vor sich hatten und vor dem Einbruch der Dunkelheit ankommen sollten. In der Dunkelheit könnten sie sich im Wald verlieren. Das hat Leichtsinn auch dazu bewegt, sich wieder auf den Weg zu machen. Sobald Leichtsinn so richtig wach wurde, fand sie wieder ihre alte Heiterkeit, vor allem, als auch der Kanarienvogel angefangen hatte zu singen, kaum dass sie in den Wald kamen.

Sie liefen durch den Wald, bis sie zum kleinem Fluss kamen. Dieser war zwar nicht sehr tief, aber dafür mit einer sehr starken Strömung. Diesen wäre nicht möglich  zu durchqueren. Zum Glück lag da, von Ufer zu Ufer ein Baumstamm, um sicher auf die andere Seite zu kommen. Da hatte Leichtsinn angefangen voll Freude auf dem Baumstamm springen und wippen bis die Vernunft angst bekam und ihr zurief aufzuhören, weil sie sonst in den reisenden Strom fallen könnte. Sie bat Leichtsinn auf die andere Seite des Flusses zu gehen, damit sie ihr nachgehen könnte und die Beiden ihre Reise zu der Grossmutter fortsetzen konnten. Leichtsinn liess sich aber nichts sagen, sprang und wippte sie auf dem Baumstamm so lange, bis es auf die Seite des Flusses kippte und hineinfiel. Das Wasser nahm ihn schnell mit und bald war von der kleinen Behelfsbrücke nichts zu sehen. Die Leichtsinn hatte gerade noch Zeit gehabt an das nahe Ufer zu springen. So war jetzt jede auf einem anderen Ufer, getrennt von dem kleinen Fluss.

Und jetzt? Leichtsinn hat angefangen zu weinen und schreien und verzweifelt zu rufen: «Komm Vernunft! Du kannst auch so durch das Wasser gehen, es ist nicht so tief! Komm, komm bitte! Ich kann hier nicht alleine sein! Ich kann auch nicht alleine zu der Grossmutter gehen, ich finde ja gar nicht den Weg ohne Dich!» Die Vernunft sah, dass es sehr gefährlich wäre in den reisenden Strom sich zu wagen. Sie sass da und dachte nach, wie sie mit Sicherheit an das andere Ufer gelangen könnte. Eine andere Lösung fand sie nicht und so entschied sie, dass sie beide von jeder Seite den Strom aufwärts gehen müssen um einen passenden sicheren Übergang zu finden.

Sie liefen und liefen, waren langsam müde, zerkratzt von den Ästen der Büsche die beide Ufer bewucherten. Irgendwann konnten sie nicht mehr weiter.  Vernunft sass da und überlegte was weiter zu machen wäre. Lösung sah sie keine. So versuchte sie Leichtsinn zu überzeugen zurückzugehen zu dem Übergang, wo der Baumstamm lag, wo auch der Pfad war, der aus dem Wald und zu dem Haus der Grossmutter führte. Davon wollte Leichtsinn aber überhaupt nichts wissen. Sie veranstaltete einen Aufstand. «Was meinst Du?! Du willst mich alleine lassen in dem Wald?! Ich werde mich sicher verlieren. Ich kenne den Weg zu Grossmutter nicht!» Und so wie sie angefangen hatte zu toben und um sich schlagen, fand sie am Rand von Ufer ein Haufen von Steinen und Erde. Das hatte sie angefangen den Hang herunter zu werfen und schieben dabei schreiend: «Ich werde den Fluss kaputt machen! Alles mache ich kaputt!» Das Geröll stürzte in den Fluss und so viel wurde es, dass es für einen Moment ein kleiner Staudamm bildete. Das sah Vernunft und sprang darauf und schnell weiter bis sie nahe am anderen Ufer war. Gerade als das gestaute Wasser anfing zu überschwappen und das Geröll langsam mitnahm, packte Leichtsinn die Vernunft am Arm und zog sie zu sich. Die beide lagen sich in Armen. Und jetzt?

«Wie finden wir jetzt den Weg zu Grossmutter?» Fragte erschrocken Leichtsinn als sie realisierte, dass sie sich weit entfernt hatten von dem Weg, der dahin führte. Vernunft nahm Leichtsinn an der Hand und sagte: «wir müssen zurück gehen, dort wo der Baumstamm war, den Du ins Wasser geschmissen hast.» «Das habe ich nicht gemacht. Es ist einfach hineingefallen.» Wehrte sich Leichtsinn. «Lass es lieber!» Antwortete vorwurfsvoll Vernunft und machte sich auf den Weg zurück die Stelle zu suchen, wo sie anfänglich den Fluss überqueren sollten. Nach einer Weile hatte Leichtsinn angefangen sich zu beschweren, dass sie müde war und wollte nicht weiter gehen da sie Hunger hatte. Diesmal gab aber Vernunft nicht nach. «Wenn wir unseren Weg finden, dort wo der Baumstamm lag, da ist auch unser Pfad zum Grossmutters Haus, da ruhen wir uns aus.» Leichtsinn beschwerte sich weiter, aber Vernunft hörte nicht auf sie. Sie zog sie an der Hand hinter sich bis sie wirklich an die richtige Stelle angekommen waren. Zum glück fanden sie es. Die Vernunft hatte sich die grosse Eiche gemerkt, welche sie am gegenüberliegenden Ufer sah, als sie Leichtsinn bat nicht auf dem Stamm herum zu hopsen, damit sie auch herüber gehen konnte.

Sie setzten sich unter die Eiche, assen ihre restlichen Vorräte von Vernunft auf und ruhten sich etwas aus. Bald mussten sie aber weiter, weil die Sonne schickte ihre letzte Strahlen über dem Gipfel des Berges, hinter welchem sie in Begriff war zu untergehen. «Komm schnell Leichtsinn! Jetzt wird es schnell dunkel und im Wald wird es noch viel schneller dunkel!» Leichtsinn hat sich zwar beschwert, aber dennoch verstand sie, dass es nötig war. So sprang sie auf und fing an zu singen und zu springen, und nach vorne zu rennen dem Pfad entlang. Vernunft rief ihr hinterher: «Warte auf mich!» und bemühte sich schnell ihre Sachen zu sammeln damit sie ihr nachkommt. Aber wo! Leichtsinn sang laut vor sich hin und nur so kam die empörte Vernunft ihr nach. So zumindest nach der Stimme konnte sie Leichtsinn finden. Aber zum Schluss war es gut dass sie gerannt waren, denn sobald sie aus dem Wald herauskamen, wurde es richtig dunkel. So dunkel, dass sie den Weg über die Felder, der zum Haus der Grossmutter führte, gerade noch fanden. Dann hielten sie sich an den Händen und gingen nur langsam, damit sie nicht stolperten. Das Haus der Grossmutter hatte zum glück die aussen Lichter an und so fanden sie es schliesslich.  Die besorgte Grossmutter erwartete sie schon vor der Türe und als sie ankamen, schloss beide erleichtert in die Arme.

Beide gaben der Grossmutter ihre Geschenke, welche ihr grosse Freude bereiteten. Sie hat für ihre Enkelinnen ein gutes Essen vorbereitet. Erst als beide satt waren und entspannt nach ihrem Abenteuer, erzählten sie Grossmutter von allen ihren Erlebnissen. Sie hörte ihnen mit ernster Miene zu und nickte nachdenklich mit dem Kopf. Dann sagte Grossmutter Wahrheit: «Bravo Kinder! Gut habt ihr das gemacht. Immer zusammen überwindet ihr die Schwierigkeiten und Gefahren. Zusammen findet ihr Lösungen. Die eine braucht die andere, damit ihr es fertigbringt. So ist es im Leben. Nur Vernunft reicht nicht. Nur Leichtsinn reicht nicht. Beide zusammen bringen den Erfolg.» Oder? Ist es etwa nicht so? Sprach nicht recht die Grossmutter Wahrheit? Was meint ihr???